100 Tage nach dem Dammbruch bei Mariana

Wir vergessen nicht: Der Dammbruch bei Mariana war ein Umweltverbrechen! Wir fordern ein Ende der Straflosigkeit!
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Von Christian Russau, KoBra

Am Samstag, dem 13. Februar 2016, sind es auf den Tag 100 Tage, dass der Damm Fundão der Deponie der Erzbergminen Germano und Alegria der Firma Samarco, die den Unternehmen Vale und BHP Billiton je zur Hälfte gehört, in der Nähe der Stadt Mariana im brasilianischen Bundestaat Minas Gerais geborsten ist. 17 direkte Todesopfer sowie zwei noch immer Vermisste verzeichnete der Dammbruch unmittelbar.

Laut der amerikanischen Consulting Bowker Associates stellen die dort durch den Dammbruch freigesetzten 62 Mio. Kubikmeter Klärschlamm, die bis zu 800 km versuchte Flusslandschaft sowie die Schäden von mindestens 5 Mrd. Dollar den traurigen Dreifach-Negativ-Weltrekord in der Geschichte des Bergbaus dar.

KoBra versucht, einen Überblick auf die derzeitige Situation zu werfen, zu fragen: Wie geht es den Menschen im Einzugsbereich des Dammbruches? Immerhin sind es mehrere hunderttausend Menschen entlang der Flusstäler des Rio Gualaxo do Norte, des Rio Carmo und des Rio Doce bis hin zur Mündung desselben in den Atlantischen Ozean bei Linhares und Regência im Bundesstaat Espírito Santo, die von dem Dammbruch und seinen Folgen betroffen sind. Und wir fragen vor allem: Wie ist der aktuelle Stand, nun, da die größte Medienaufmerksamkeit vergangen und die Kameras der Weltpresse weggegangen sind?

Rückblende: Der Bruch

5. November 2015. An dem Damm des Deponiebeckens Fundão der Erzbergminen Germano und Alegria finden seit Wochen Erweiterungsarbeiten statt. Denn die Eigentümerin, Samarco Mineração S.A., die je zur Hälfte den Bergbaugiganten Vale aus Brasilien und BHP Billiton aus Australien gehört, hat im vergangenen Jahr die Ausbeute des dortigen Minenkomplexes um satte 15 Prozent erhöht. Und jede Tonne gewonnenes Reinerz produziert auch eine Tonne Abraums, der in riesigen Staubecken unter Wasserzugabe deponiert wird. So haben sich im Staubecken von Fundão im Laufe der Jahre 62 Millionen Kubikmeter Klärschlamms aus der Erzgewinnung angesammelt. Dies entspräche 20.000 gefüllten Olympiaschwimmbecken. Im Umweltgutachten zu den Erweiterungsarbeiten am Damm wird den Behörden die Notwendigkeit der Bauarbeiten erklärt. „Diese Dämme sind mit ihren Rückhaltekapazitäten an ihrer Belastungsgrenze“, so das im Auftrag des Bergbauunternehmens erstellte und von den Behörden abgesegnete Gutachten. Um „einen reibungslosen Betrieb von Samarco für die Produktion von Erzkonzentraten zu gewährleisten“, müssten diese „Optimierungsarbeiten“ bei laufendem Betrieb erfolgen.

Um zwei Uhr am Nachmittag, so berichten Arbeiter/innen den Medien hinterher, habe es erste „merkwürdige Geräusche“ gegeben, die sie aber den regulären Bauarbeiten zuschrieben, obwohl sie diese zuvor so noch nicht wahrgenommen hätten und es „irgendwie zu knirschen schien“, so die Aussage einiger Arbeiter/innen. Um halb vier kommt es dann zur Katastrophe. Der Damm des Deponiebeckens Fundão bricht und die erste Flutwelle aus Bergwerkklärschlamm ergießt sich ins Tal. Durch die in Bewegung geratene Masse wird auch der Damm des zweiten Klärbeckens, Santarém, in Mitleidenschaft gezogen. Die Schlammwelle bewegt sich direkt in Richtung des kleinen Ortes Bento Rodrigues. Elf Minuten später trifft die meterhohe Klärschlammwelle den Ort.

Keine Warnsirenen

Die Warnfrist lag bei elf Minuten. Die hatten die Ingenieure zuvor ungefähr einkalkuliert in ihren Berechnungen zum Umweltgutachten. Die Fließgeschwindigkeiten von Klärschlamm lassen sich in etwa berechnen. Elf Minuten verblieben, um die Bewohner/innen der nächstgelegenen Ortschaft zu informieren. Sirenen, die die Menschen weiträumig hätten warnen können, gab es nicht, waren im Bau- und Umweltplan nicht vorgesehen. So gab es sie dann vor Ort auch nicht. Wozu auch? Es gab doch den Notfallplan, und der sah vor, die Bewohner/innen telefonisch zu warnen. Der Samarco-Präsident, Ricardo Vescovi, erklärte der Presse, die vor Ort verantwortlichen Mitarbeiter/innen hätten die Notfallnummern angerufen, gegenüber Journalist/innennachfragen wollte er aber nicht die Anzahl der Anrufe und die Telefonnummern identifizieren. Elf Minuten Vorwarnzeit und weitere zehn Minuten, bis die bis zu zehn Meter hohe Klärschlammwelle durch den Ort durchgerast war und alles in seinem Weg zerstörte.

Die Flut walzt durch die Flusstäler bis in den Ozean

Und der Klärschlamm-Tsunami walzte weiter. Nach über zwei Wochen, an der Küste des Bundesstaats von Espírito Santo, hat die Schlammlawine das Flussbett des Rio Doce („Süßer Fluss“), eines der wichtigsten Flüsse der Region, auf einer Länge von über 800 Kilometer durchwalzt und dort alle Flora und Fauna zerstört und ergießt sich noch immer ins Meer. Neuesten Berechnungen zufolge weitet sich an der Mündung des Rio Doce die Bergbauschlammblase im Atlantik derzeit um täglich 250 Quadratkilometer aus. Da die Ausdehnung – auf die Oberfläche berechnet (was dementsprechend auch eine Verdünnung der betroffenen Schlammblasse bedeutet) – exponentiell erfolgt, gehen jüngste Projektionen von einer Maximalausdehnung in der Zukunft von bis zu 20 Millionen Quadratkilometern aus – dies entspräche der 2,3-fachen Landesfläche Brasiliens. Den klarsten Überblick über die Ausmaße geben dementsprechend auch die Satellitenbilder – und werden die Dimensionen in den nächsten Monaten noch deutlicher zutage treten lassen.

Tonnen toter Fische werden an die Ufer gespült. Am Rio Doce waren es bislang 11 Tonnen, die aus dem Wasser gezogen wurden, im Atlantik waren es drei Tonnen toter Fische, die angeschwemmt oder herausgefischt wurden. Dies sind die bekannten, bestätigten Zahlen. Real dürften die Werte deutlich höher liegen. Getötet wurden die Fische in ihrer Mehrzahl, weil durch die Schlammwelle im Fluss kein Sauerstoff mehr war. Der obere Flusslauf, so nahe Medienvertreter/innen an die Unglückstelle von der Firma gelassen werden, sähe „wie ein Kriegsgebiet“ und in weiten Teile schienen die Ufer des Flusslaufs „wie von einer roten Betonwand umrahmt“, die der nun langsam aushärtende Klärschlamm bildet, berichten die entsandten Reporter von Brasil de fato.

Kein Fischfang mehr

Fischfang im ehemals süßen Fluss ist nirgends mehr möglich. Flussanwohner/innen, unter ihnen auch indigenen Gruppen wie die Krenak, sind in ihrer Existenz bedroht. Für die Krenak ist der Rio Doce zentraler Bezugspunkt, wirtschaftlich und kulturell. Den Rio Doce nennen sie seit altersher Uatu Nek. „Wir Krenak sind traurig, denn Uatu Nek ist gestorben”, sagt der Indigene Itamar gegenüber dem Medienportal EM. Die Krenak leben und arbeiten auf 4.900 Hektar Land in Resplendor im Osten von Minas Gerais, rund 500 Kilometer von der Landeshauptstadt Belo Horizonte entfernt. Ist der Fluss nun tot, woher sollen sie die Fische zur Nahrung bekommen, woher das Trinkwasser nehmen? Die gleichen Sorgen treiben die Kleinbäuerinnen und Kleinbauern sowie Kleinfischer entlang des Rio Doce um, sie alle sind einer fundamentalen Krise des Überlebens ausgesetzt.

Hunderttausende ohne Trinkwasser

In Brasilien entnehmen die lokalen und regionalen Wasserversorger den Großteil des Trinkwassers aus den Flüssen, so dass durch die Schlammwelle zeitweise hunderttausende Bewohner/innen entlang der betroffenen Flüsse, Rio Gualaxo do Norte, des Rio Carmo und des Rio Doce, ohne Trinkwasserversorgung waren – und teilweise noch immer sind. Mittlerweile haben die Behörden an den meisten Orten die Trinkwasserversorgung wieder hergestellt bzw. sie freigegeben – die Bewohner/innen empören sich über die nach wie vor sehr starke Trübung des Wassers – und misstrauen entsprechend den behördlichen Verlautbarungen, das Wasser sei ohne größere Risiken genießbar.

Sanierung des Flusses: zu welchem Preis?

Ende November kündigte die Regierung an, von den Konzernen die Zahlung von umgerechnet fünf Milliarden Euro für den Wiederaufbau in einen Fonds zu fordern, gestaffelt auf zehn Jahre. Umweltschützer/innen bezweifeln, dass dies ausreichen würde. Schätzungen belaufen sich auf umgerechnet an die 30 Milliarden US-Dollar, wahrscheinlich angesichts der Dimensionen deutlich mehr, die zur Behebung der Folgen notwendig wären. Zur Erinnerung: In den vergangenen 50 Jahren haben die geschätzten Sanierungskosten von Bund, Länder und Gemeinden entlang des Rheins rund 100 Milliarden Euro gekostet. Ob also solch ein Betrag, wie gegenwärtig von der Regierung in Brasília postuliert, reichen würde oder ob es bei diesen Dimensionen überhaupt technisch machbar ist, den Fluss zu revitalisieren, all dies ist fraglich. Es ist dabei nicht nur die schiere Masse an Klärschlamm, die sich auf über 800 Kilometer im Flussbett und in die Atlantikküste verteilt hat, sondern auch die Frage nach dem Bestandteilen des Klärschlamms – dieser Frage gehen wir zum Schluß nach.

Staatsanwaltschaften und Behörden haben Anzeigen und Strafzahlungen verhängt

Staatsanwaltschaften haben gegen verantwortliche Manager eine Reihe von Anzeigen gestellt. Bis heute wurde niemand verurteilt. Behörden haben Millionenstrafzahlungen verhängt, gezahlt wurde bislang aber noch keine der Strafen. Wann und ob es in Zukunft überhaupt dazu kommt, wird von vielen Beobachter/innen stark bezweifelt. Diese Zweifel stiegen noch weiter an, als wenige Wochen nach dem Dammbruch ein Gerichtsbeschluss ein Konto der Bergbaufirma Samarco blockiert hatte, um eine vorläufige Pfändung einzuleiten. Als die Behörde die Strafgelder einziehen wollte, so berichtet die Tageszeitung O Tempo Ende November, lagen auf dem Konto noch acht Millionen Reais, umgerechnet zwei Millionen Euro. Der zuständige Richter, Frederico Esteves Duarte Gonçalves, zeigte sich empört. „Der Beklagte (Samarco) benimmt sich mutwillig rechtlich unwürdig, so als sei es eine Eckkneipe, die sich dem Richterbeschluss entziehen will. Mit anderen Worten, ganz klar: der Beklagte ist mit dem Geld abgehauen.“ Denn noch vor zehn Monaten, so der Richter, lag der ihm derzeit bekannte Kontostand bei zwei Milliarden Reais, umgerechnet 500 Millionen Euro. Offenkundig war das Geld mittlerweile vom Konto abgezogen worden. Unklar blieb, ob dies nach dem Dammbruch oder davor geschehen war.

Wird überhaupt jemand haften?

Angesichts der Dimensionen glaubt eigentlich niemand mehr daran, dass das alles „aufgeräumt“ werden könne. Denn: Samarco haftet nur bis maximal zum Eigenkapital, die dahinter stehenden Eigentümerkonglomerate – Vale und BHP – haben jenseits dessen keine Nachschusspflicht. „Samarco ist eine eigenständige Aktiengesellschaft“, so erklärten die Präsidenten von Vale und BHP auf ihrer ersten Pressekonferenz in Brasilien nach dem Dammbruch. „Und weder Vale noch BHP Billiton üben Einfluss auf die Geschäftstätigkeit und das Management aus.“ Ende November ging der Chef von Vale, Murilo Ferreira, sogar noch weiter und erklärte, ein Großteil der Exporte von Samarco gingen nach Europa, und die Wettbewerbs- und Anti-Kartellregeln der EU würden vorschreiben, dass Samarco im Management unabhängig von Vale und BHP Billiton zu agieren habe. Denn sonst wäre es als sich abstimmendes Firmenkonglomerat wettbewerbsrechtlich zu mächtig – und dies hätte die EU im Zuge der Samarco-Übernahme vor ein paar Jahren durch Vale und BHP eben explizit untersagt.

So einfach ist also die schöne Aktionärswelt: Profitabschöpfung durch Dividenden ist theoretisch nach oben unbegrenzt – die Schadenshaftung nach unten praktisch begrenzt. Gegen Ende November stieg der Druck der Öffentlichkeit aber an, so dass Vale am Freitag, dem 27.11. bekanntgab, Samarco, Vale und BHP werden sich an einem «freiwilligen Fonds» zum Wiederaufbau beteiligen. Das solche eine Beteiligung auf «freiwilliger Basis» erfolgt, ist der Rechtsgrundlage geschuldet – schließlich haften die beiden Eigentümer, Vale und BHP, ja eben nur bis zum Eigenkapital von Samarco. Und außerdem dürfte die Freiwilligkeit ihre aktienrechtlich bestimmte Grenze haben. Denn Entschädigungen auf «good will»-Basis dürfen in etwa der üblichen Höhe von Werbekosten entsprechen, sollten die «freiwilligen» Zahlungen deutlich höher ausfallen, hätten andere Anteilseigner/innen durchaus das Recht, die Firmenmanager*innen auf Veruntreuung des Firmenvermögens zu verklagen. Aktien- und Eigentumsrechte machen es möglich.

Und die Abnehmer der Pellets von Samarco?

Die Globalisierung und lange Liefer- und Wertschöpfungsketten machen es möglich: Abnehmer der Erzpellets von Samarco sind aus der Verantwortung fein raus. Laut deutscher Außenhandelsstatistik zählt Samarco zu den Firmen, die Produkte im Gegenwert von über 50 Millionen Euro nach Deutschland einführen – wie viel «über 50 Millionen Euro» genau heißt, darüber gibt die Statistik keine Auskunft. Auf den Webseiten der üblichen Verdächtigen, Stahlkonzernen wie ThyssenKrupp oder Salzgitter, findet sich weder eine Kondolenzbotschaft, noch Auskünfte darüber, wie man konkret die Sorgfaltspflichten in der Lieferkette seiner Lieferanten überprüft und einhält. Thyssenkrupp hat KoBra auf der Aktionärsversammlung im Januar 2016 geantwortet, Thyssenkrupp beziehe von Samarco keine Erzpellets. Recherchen von KoBra haben aber ergeben, dass zumindest im Jahre 2003 Thyssenkrupp zu den Klienten von Samarco bei der Lieferung von Erzpellets zählte. Dies ist, vertraut man auf die Aussage von Thyssenkrupp, derzeit nicht mehr der Fall. Wohl aber hat Thyssenkrupp technisches Gerät wie Maschinen und Bauteile für Erzpipelines an Samarco in der Vergangenheit verkauft. Auch dort wäre die Frage angebracht, ob es zur due dilligence eines Zulieferers nicht zählt, den Kunden zu überprüfen. Nun hat Samarco in den vergangenen Jahren immer alle geforderten Zertifizierungen, ISO 9001 in Qualitätsfragen und ISO 1401 in Umweltfragen, stets erhalten. Dass Samarco für Teile seiner Deponiebecken gar keine gültigen Umwelt- und Betriebsgenehmigungen mehr hatte, oder aber einige der Deponien über das Erlaubte angefüllt worden waren, dies war niemandem der Kontrolleure aufgefallen. Es fiel erst jetzt im Zuge der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen nach dem Bergbauvorfall auf.

Wie giftig, dreckig oder sauber ist das Wasser denn eigentlich nun?

Die Zusammensetzung des Klärschlamms sowie die Wasserwerte entlang der Flüsse Rio Gualaxo do Norte, des Rio Carmo und des Rio Doce bis hin zur Mündung desselben in den Atlantischen Ozean sind bis heute nicht unumstritten. Unmittelbar nach dem Dammbruch sowie in den ersten Wochen nach dem Dammbruch beteuerten die Minenbetreiber unisono, der Klärschlamm sei nicht giftig. „Bei der Erzgewinnung fallen keine nennenswerten toxischen Nebenstoffe an“, so die Firmenvertreter von Samarco, Vale und BHP Billiton. Anders als bei der Gold- oder Aluminiumgewinnung fielen beim Eisenerzabbau und dessen Weiterverarbeitung toxische Klärschlämme nicht an, so die Firmen. Dem widersprach niemand Geringeres als die UNO. Eine Untersuchung durch die Vereinten Nationen hatte ergeben, dass die freigesetzten Abfallstoffe toxisch sind. John Knox, UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte und Umwelt, und Baskut Tuncak, UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte und gefährliche Substanzen, warnten vor den Folgen für die Flüsse und das Grundwasser: „Es ist nicht akzeptabel, dass es drei Wochen dauerte, um die Informationen über die toxischen Gefahren der Minen-Katastrophen in den Vordergrund zu stellen.“ Drei Wochen, dies schien auch offensichtlich der für die Bundesregierung erträgliche Zeithorizont zu sein. Abgesehen von einem Überflug per Helikopter über die Unglücksregion hielt sich Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff in den ersten Tagen erschreckend bedeckt. So nahm es auch nicht wunder, dass die Bundes- und Landesbehörden auffallend langsam reagierten – was Kritiker/innen dazu bewog, die Vermutung auszusprechen, das belastete Wasser solle einfach gen Meer gespült werden und dann erst, wenn das Gröbste vorbei sei, könnten Wasseruntersuchungen erfolgen – und so dann den Medien und der Bevölkerung die „beste aller möglichen Welten“ gezeigt werden.

Aber dann Anfang Dezember hatten die Behörden Wasseruntersuchungen angeordnet und Mitte Dezember wurde dann vom nationalen geologischen Institut, der Wasserbehörde und dem Energieministeriums bekanntgegeben, die Wasserwerte wiesen die gleiche Qualität auf, wie die letzten Untersuchungen an den 13 Entnahmestellen, die im Jahr 2010 von den Behörden überprüft worden waren. Das Aussagemotto: bloß keine Aufregung! Im Umkehrschluss ließ diese Aussage aber erst recht alle Alarmglocken bei Kritiker/innen wieder hellauf schrillen: Hieß das nicht, dass die Behörden seit 2010 keine Messungen der Wasserwerte mehr vorgenommen hatten? Wie also solchen Behörden trauen?

Und dies widersprach auch den Erkenntnissen einiger kommunaler Wasserversorgeunternehmen entlang des Flusses, die auf eigene Initiative hin das Wasser untersucht hatten und Erschreckendes festgestellt hatten: Neun Tage nach dem Unglück, das Umweltschützer/innen und Menschenrechtsgruppen nicht als „Unglück, sondern als Verbrechen“ bezeichnen, wollte der für die Qualität des Trinkwassers in der Kleinstadt Baixo Guandu zuständige Mitarbeiter des Wasserversorgers es aber lieber selbst überprüfen lassen. Baixo Guandu liegt ungefähr 500 Kilometer vom Dammbruch entfernt, an der Grenze zwischen den Bundesstaaten Minas Gerais und Espírito Santo. Der Mitarbeiter der Wasserwerke ließ Wasserproben aus dem den Rio Doce hinuntertreibenden Schlammwasser entnehmen und im Labor untersuchen. „Es scheint, als hätten sie da die gesamte Periodentafel reingeschmissen!“, erboste sich Luciano Magalhães gegenüber den Medien. Neben dem erwarteten Eisen fanden sich Arsen, Quecksilber, Mangan, Uran und Blei in massiver Konzentration, weit über allen Grenzwerten, in dem Schlammwasser.

Samarco, Vale und BHP Billiton dementierten umgehend. Wenn diese Schwermetalle in dem Flusswasser gefunden wurden, so sei deren Ursprung nicht in der Mine von Germano zu finden. Andere Quellen müssten dafür verantwortlich sein. „Im übrigen“, so die für Arbeitsgesundheit und Nachhaltigkeit zuständige Direktorin bei Vale, werde die „Revitalisierung des Rio Doce“ und der Uferstreifen und Flusstalauen in den nächsten Jahren durch den abgelagerten Schlamm noch erleichtert werden. Der Schlamm werde „wie Dünger für die Wiederaufforstung wirken“.

Neue Untersuchungen des Wassers

Und nun, 100 Tage nach dem Dammbruch, gibt es noch immer keine allgemein anerkannten und allseits bestätigten Daten zur Wasserqualität. Teile der zuständigen Behörden, erklären das Wasser für „nicht gesundheitsschädigend“. So auch urteilte vor wenigen Tagen ein Gericht in Espírito Santo, dass den Untersuchungen zufolge das Wasser, das die örtlichen Wasserversorger dem Fluss entnähmen und den Bürger/innen liefere, „trinkbar» sei, so dass die gesonderte Wasserbelieferung der Bürger/innen durch die verantwortliche Firma Samarco „nicht mehr notwenig“ sei. Andere wiederum sagen das Gegenteil. Wissenschaftler/innen der Universidade Federal do Espírito Santo (Ufes) wiesen darauf hin, ihre Untersuchen hätten ergeben, dass auf jeden Liter Flusswasser 300 Gramm gelöste Schlammreste aus der Deponie kämen. Die Wasseruntersuchungen hätten ergeben, so die Wissenschaftler/innen, dass ihre 2.785 entnommenen, einzelnen Wasserproben erhöhte Werte (über den zulässigen Grenzwerten) bei Eisen, Chrom, Aluminium und Mangan festgestellt hätten. Die Umweltorganisation SOS Mata Atlântica ihrerseits hat Wasseruntersuchungen entlang der betroffenen Flüsse vorgenommen und deutlich erhöhte Trübungswerte festgestellt, sowie vor allem bei Magnesium kritische, d.h. über den gesetzlichen Grenzwerten, liegende Ergebnisse konstatiert, bei Kupfer, Aluminium und Mangan knapp unter den Grenzwerten, bei Kalzium und Eisen entlang der Grenzwerte. Diese Daten wurden auch der Umweltfraktion im brasilianischen Kongress übergeben, mit der klaren Aussage, „dieses Wasser ist für menschlichen Konsum ungeeignet». Der Streit um die Qualität des Wassers geht also weiter.

Und die Menschen?

Wer genügend Geld hat, geht auf Nummer sicher und trinkt das Leitungswasser nicht, sondern versorgt sich und seine Familie mit extra gekauftem Wasser in Flaschen. Diese Option hat nicht jede/r.

KoBra wird im März vor Ort sein und den Rio Doce entlangfahren und die Geschichten der Menschen entlang des Flusses anhören, um sie dann zu dokumentieren. Die Geschichten der Menschen dürfen nicht vergessen werden.

Wir vergessen nicht: Der Dammbruch bei Mariana war ein Umweltverbrechen! Wir fordern ein Ende der Straflosigkeit!

Foto: Gerhard Dilger