Ehemalige Mitarbeiter von VW do Brasil versuchen seit Monaten, eine Sammelklage gegen den Autobauer anzustrengen. Im Raum stehen Vorwürfe wie Überwachung, Entführung und sogar Folter zwischen 1964 und 1985. Während die Werksleitung in Brasilien schweigt, schickt der Mutterkonzern seinen Chefhistoriker.
von Nils Brock und Laura Burzywoda, neues deutschland
Am 9. November 1980 meldete sich José Bráz Sobrinho wie gewohnt zu seiner Schicht in der Produktausgangskontrolle bei Volkswagen do Brasil. 16 Jahre lang hatte er dort am Fließband täglich tausende Käfer-, Kombi- und Passatdächer geprüft. Bis zu 14 Stunden täglich verbrachte er im Werk von São Bernardo nahe São Paulo. Doch an diesem Morgen übermittelte ihm sein Vorarbeiter nicht wie gewohnt die täglichen Sollstückzahlen. Nein, an jenem Morgen erhielt Bráz, wie der 75-Jährige bis heute gerufen wird, seine fristlose Kündigung.
Überhaupt sei es ein Wunder gewesen, dass er nicht früher rausgeflogen sei, “aber einige Vorgesetzte schützten mich wohl”, vermutet Bráz. Denn er war ein wichtiger Koordinator beim Streik der “Verrückten Kuh”, der sieben Monate vor seiner Entlassung die Produktion von Volkswagen für 41 Tage lahm gelegt hatte, 420 Personen direkt den Job kostete und einen gewissen Luiz Inácio Lula da Silva zuerst ins Gefängnis und später, nach langen Jahren in der Opposition, im Jahr 2003 in den Präsidentensessel bugsierte. Doch bis dahin war es ein weiter Weg, und was Bráz damals persönlich interessierte, war nicht der Aufbau einer brasilianischen Arbeiterpartei, sondern zunächst irgendwie seinen Lebensunterhalt zu verdienen.
„Doch in São Bernardo fand ich keine Arbeit mehr”, erinnert sich Bráz bei unserem Treffen im Arbeiterbildungszentrum IIEP. Man merkt dem drahtigen Rentner bei seinen Ausführungen an, wie sehr er sich mitteilen will. Er redet schnell, verheddert sich manchmal in seinen Erinnerungen, nimmt Pointen vorweg. „Ein paar Mal hatte ich bereits wieder einen Job in Aussicht, bestand die Eignungsprüfungen bei Scania, Ford und General Motors. Ich stand eben auf einer schwarzen Liste. Am Ende hieß es dann immer, die Stelle sei wieder gestrichen worden.“
Milena Fonseca, die neben ihm am Tisch sitzt, hört diese Geschichte nicht das erste Mal. Die Forscherin war von 2012 bis 2014 an der Arbeitsgruppe „Arbeiter“ in der von Präsidentin Dilma Rousseff eingerichteten Nationalen Wahrheitskommission (CNV) beteiligt. Aus tausenden Dokumenten, Interviews und Anhörungen versuchten Fonseca und ihre Kolleg_innen unter immensem Zeitdruck Einzelschicksale wie das von Bráz zu kontextualisieren. Nach und nach sei ihr dabei die zentrale Rolle bewusst geworden, die VW und andere nationale und transnationale Unternehmen in der Diktatur spielten. Und viele Spuren führten nach São Bernardo.
São Bernardo, bis in die 1950er Jahre ein Provinzkaff, gilt heute als die Automobilhauptstadt Brasiliens. Stahlarbeiter wie Bráz wurden in den dortigen Fabriken nach dem Militärputsch 1964 ungewollt gewichtige Protagonisten der Entwicklungsdiktatur. „Deshalb die schwarzen Listen“, erklärt Fonseca. „Es ging darum, jegliche Form von Organisation zu unterbinden.” Dafür sollen Vertreter der global agierenden Kraftfahrzeugbauer regelmäßig als eine “Sicherheitsgemeinschaft” (Sicose) zusammengekommen seien und Listen mit Namen oppositioneller Gewerkschafter und Mitgliedern der verbotenen Kommunistischen Partei ausgetauscht haben. Beteiligt waren an diesen Treffen auch weitere Unternehmen und Militärs. So belegen es Dokumente, die Fonseca bei Recherchen im Archiv der früheren brasilianischen Geheimpolizei (Dops) gefunden hat.
Doch wie gelangten diese Dokumente überhaupt zum Dops? Wurden die Treffen der Sicose ausspioniert? „Nein”, sagt Fonseca. „Es gibt starke Hinweise darauf, dass VW diese Informationen weiterreichte. Zudem scheint der Werksschutz von VW selbst ein breites Überwachungssystem organisiert zu haben,“ erklärt die Forscherin, „und zwar auch außerhalb der Fabrik, bis hin in die Stadtviertel. VW schuf eine Sicherheitsabteilung, die anfangs dafür gedacht war, die Produktion am Laufen zu halten, doch dann wurde sie auch genutzt, um Arbeiter zu verfolgen, die Forderungen stellten.
Der Werksschutz von VW do Brasil habe Nachschlüssel zu allen Spinden gehabt, ergänzt Bráz, „und wer mit einem verdächtigen Flugblatt erwischt wurde, der flog raus oder wurde für einige Zeit suspendiert. Die Repression war sehr heftig“. Doch wenn es darum geht, diese Verfolgung weiter zu beschreiben, wird der frühere Fließbandkontrolleur ausweichend, so, als ob er gewisse Situationen nicht noch einmal heraufbeschwören wolle. Eher in Nebensätzen erzählt er von einem Hilfsarbeiter, der völlig überarbeitet mit einer Eisenstange auf einen Vorgesetzten losgegangen sei und sich dann in einen Schmelzofen stürzte. Von Arbeitsunfällen, in Folge unsachgemäßer Benutzung der Maschinen, zu der Montagegruppen gezwungen worden seien, um die Produktion zu steigern. Und vom Verschwinden seines Kollegen Amauri Dagnoni.
Dagnoni, KP-Mitglied und erfolgloser Stadtratskandidat, hatte sich 1970 um einen unqualifizierten Fließbandjob bei VW beworben. Sein Ziel war von Beginn an, für eine alternative Liste zu kandidieren, jenseits der regimetreuen Gewerkschaften – ein Resultat der 1943 erlassenen autoritären Arbeitsgesetze. „Doch noch bevor diese Liste zustande kam, rief mich eines Nachmittags im Jahr 1972 ein Vorgesetzter heran, um Dagnoni am Fließband zu vertreten, da dieser befördert worden sei und einen neuen Arbeitsvertrag unterzeichnen müsse“, erinnert sich Bráz nach mehrfachem Nachfragen sehr präzise.
„Doch als Dagnoni im Büro ankam, warteten dort schon Leute auf ihn und sagten, ‘Sr. Amauri, wir werden jetzt mal einen kleinen Ausflug machen.’ Er wollte nicht, sagte, er sei hier zum Arbeiten und um einen neuen Vertrag zu unterschreiben. Aber die Typen waren von der Polizei. Sie entführten ihn direkt vom Fabrikgelände aus, er konnte nicht mal die Sachen wechseln.“ Bráz hielt Dagnoni lange Zeit für tot. Erst in den 1990er Jahren traf er ihn wieder und erfuhr, dass er einige Zeit gefangen gehalten und gefoltert wurde.
Milena blättert in den dicken Aktenordnern vor sich, fast alles Polizeiberichte aus den 1970er und 80er Jahren. Viele Hinweise daraus gingen in den Abschlussbericht der CNV im Dezember 2014 ein. Doch das Mandat der Kommission war begrenzt, und um wirklich intensiv gegen einzelne Konzerne zu ermitteln, fehlte die Zeit. Deshalb gründeten einige ehemalige Arbeiter gemeinsam mit Forschenden und Gewerkschaftern das Arbeiterforum für Wahrheit, Gerechtigkeit und Reparationen, das nun schon über ein Jahr die nicht abgeschlossene Aufarbeitung fortsetzt.
VW ist das erste Unternehmen, gegen das das Forum eine Sammelklage eingereicht hat. „Das liegt daran, dass es uns im Fall VW gelang, aussagekräftige Beweise zu finden“, erklärt Fonseca. Neben den Polizeiberichten gehören dazu natürlich auch die Zeugenaussagen von Bráz sowie die von Lúcio Bellentani, der 1972 auf dem VW-Werksgelände nicht nur verhaftet, sondern auch gefoltert wurde. Der Antrag, den die Gruppe am 22. September bei der Staatsanwaltschaft einreichte, umfasst über 600 Seiten. „Wir warten nun darauf, dass die Staatsanwaltschaft entscheidet, ob ein zivilrechtliches Untersuchungsverfahren eingeleitet wird,“ sagt Fonseca.
Die Chancen einer positiven Entscheidung scheinen gut zu stehen. Bereits am 16. Dezember wurde Lúcio Bellentani vorgeladen, um erneut vor der Staatsanwaltschaft auszusagen. „Das einzige, was ich will, ist, dass die Wahrheit ans Licht kommt, dass die Verantwortlichen ihre Schuld eingestehen und anerkennen, dass sie Mist gebaut haben,“ sagte der 71-jährige zum Schluss mit glasigen Augen und das, obwohl er seine Geschichte nun schon unzählige Male wiederholt hat.
Anwesend, doch sichtlich ungerührt nahmen diesmal auch zwei Anwälte von VW do Brasil an der Anhörung teil. Die Erkundigung, ob sie weitere Fragen an den Zeugen hätten, verneinten sie bloß durch Kopfschütteln. Überhaupt hält sich der Autobauer bisher bedeckt. Bereits bei einer Audienz im Rahmen der Wahrheitskommission im März 2015 vermied der Vertreter der Rechtsabteilung von VW do Brasil, Rogério Varga, konkrete Antworten. „Das einzige, was er ständig wie ein Mantra wiederholte, war: ‘Volkswagen hat keine schweren Menschenrechtsverletzungen begangen’“, erinnert sich Fonseca.
Während VW do Brasil schweigt, schickte der deutsche Mutterkonzern im Oktober 2015 seinen Chef-Historiker Manfred Grieger nach São Paulo, um die Aufarbeitung der Firmenvergangenheit in Brasilien zu unterstützen. Doch das Misstrauen gegenüber Grieger in seiner – wie er es nennt – „Mehrfachrolle“ als Lehrbeauftragter der Georg-August Universität in Göttingen und forschender VW-Mitarbeiter war von Beginn an groß. Während Grieger noch versuchte, sich in São Paulo erst einmal zurechtzufinden, „einer Stadt, in der ich mich nicht so super wohl fühle“, traten trotz Dolmetscher gleich zu Beginn ernsthafte Verständigungsprobleme auf.
„VW hatte zugesichert, jeglichen Kontakt mit ehemaligen Arbeitern nur über den offiziellen Weg, sei es über die ehemaligen Mitglieder der Wahrheitskommission oder die Staatsanwaltschaft, zu führen“, beschwert sich Fonseca. „Nun aber schickte der Konzern den Arbeitern individuelle Einladungen, um sich mit Manfred Grieger zu treffen“. Der Verdacht: Das Unternehmen versuche, den Arbeitern individuelle Entschädigungen anzubieten und außergerichtliche Einigungen zu erreichen.
Grieger sieht das anders. Für ihn als Historiker seien lebensgeschichtliche Langzeitinterviews unabdingbar. „Gemeinschaftsgespräche sind für mich nicht erkenntnisfördernd, das ist ja mehr ein Austausch von Positionen.“ Die juristische Dimension läge außerdem außerhalb seines Zuständigkeitsbereiches. Keine einfache Situation, findet auch der Berliner Jurist Wolfgang Kaleck, der 1999 Anzeige gegen Mercedes-Benz Argentinien erstattete (s. u.). Zwar kann er die Sorge der Arbeiter nachvollziehen, findet das Vorgehen des Historikers aber ebenso legitim. „Dass ein Researcher die Leute einzeln vernehmen will, ist schon verständlich.“ Griegers erklärtes Ziel ist es, die Lebensgeschichte der ehemaligen Arbeiter zu dokumentieren und in einer Publikation festzuhalten. „Die Erinnerungen sind dann in der Welt und bleiben auch in der Welt.“
Aus der Welt räumen lassen sich die Zweifel des Arbeiterforums mit diesem Ansinnen bisher jedoch nicht. „Wir wollen nicht, dass der Konzern seine Version der Geschichte produziert“, erklärt Gabriel Khoury, ein weiterer Mitarbeiter des IIEP. „VW soll nicht selbst Untersuchungen durchführen, sondern uns Zugang zu Dokumenten gewährleisten. Das ist die Zusammenarbeit, die wir fordern.“ Doch diesen Zugang hat auch Grieger nicht, „da es faktisch keine Archivüberlieferungen“ gebe.
Das liegt vor allem daran, dass VW do Brasil mit Ford in den 1980er Jahren ein Autolatina genanntes joint venture einging, die Vorstufe einer möglichen Fusion, mit der die Unternehmen sich besser auf den damals kriselnden Märkten Lateinamerikas behaupten wollten. Die endgültige Fusion kam zwar nie zustande, habe aber den Verlust vieler Dokumente zur Folge gehabt. Deshalb stelle sich die Frage, „wie man Parallelüberlieferungen finden kann“, eine Suche, die Grieger am liebsten gemeinsam mit brasilianischen Historikern und Zeitzeugen betreiben würde.
„Man muss sich eben ein bisschen beeilen, denn sonst fallen bestimmte Erfahrungswerte von Betroffenen weg“, gibt Grieger außerdem zu bedenken. Für September 2016 plant der Historiker einen Internationalen Workshop an seinem Lehrstuhl in Göttingen. Bei diesem Treffen sollen erste Ergebnisse sowie grundlegende Konzepte gemeinsam mit Wissenschaftler_innen aus Brasilien diskutiert und systematisiert werden, aber auch die kritischen Stimmen des Forums Gehör finden.
Diese Art der Aufarbeitung hat für den Historiker Priorität, denn juristische Verfahren könnten sich nicht nur über Jahre hinziehen, oftmals seien auch keine hohen Ansprüche durchsetzbar. „Das war ja am Ende auch in Argentinien so, da war nicht so schrecklich viel zu gewinnen,“ meint Grieger. Bráz sieht das anders. Für jemanden, der in extremer Armut lebe, könnten auch ein paar Hundert Euro einen Unterschied machen. Er berichtet von seinem ehemaligen Kollegen Max, der wie er auf einer schwarzen Liste stand. „Der lebt heute in einem Häuschen aus Altmetall. Seinen Kaffee bereitet er mit Regenwasser zu. Die Familie hat ihn verstoßen“, sagt Bráz und stellt klar: „Er ist einer von vielen Fällen.“
Sollte die Klage gegen VW do Brasil Erfolg haben, dann könnte erstmals ein Privatunternehmen für seine Beteiligung an der Entwicklungsdiktatur materiell zur Verantwortung gezogen werden, auch wenn nach wie vor unklar ist in welcher Höhe. Denn entschädigt hat bisher nur der brasilianische Staat. Präsident Lula da Silva setzte sich nach seinem Amtsantritt für die Zahlung von Reparationen durch eine im Jahr 2001 gesetzlich geschaffene Amnestiekommission zur Anerkennung politischer Verfolgung während der Diktatur ein. Diese dem dem Justizministerium unterstellte Institution zählte bis heute über 70.000 Anträge auf Anerkennung der politischen Verfolgung und entsprechende Entschädigungszahlungen.
Doch die Bearbeitung verläuft schleppend, die Höhe der Zahlungen wird von Betroffenen als willkürlich kritisiert. Bráz, so wie Lula Mitbegründer der PT, gehörte zu den Glücklichen, die für ihre ungerechtfertigten Entlassungen bereits Ersatzzahlungen erhielten. Von diesem Geld kaufte Bráz nicht nur ein Haus für seinen Sohn, sondern auch seinen ersten fahrbaren Untersatz, erzählt er stolz und setzt dann ein listiges Lächeln auf – diesmal sitzt die Pointe. „Drei Autos hatte ich inzwischen. Aber einen Volkswagen? Nein, niemals! Lieber fahre ich Opel.“
Fotos: Archiv IIEP, Nils Brock
„Immerhin gab es ernsthafte Ermittlungen“
Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck über den Fall Mercedes-Benz Argentinien
Die Kollaboration von VW do Brasil mit der zivil-militärischen Diktatur stellt in Lateinamerika keinen Einzelfall dar. Auch in Argentinien spielten deutsche Unternehmen während des Militärregimes (1976-1983) eine unschöne Rolle. Bei Mercedes Benz verschwanden in dieser Zeit 15 Gewerkschafter. Wolfgang Kaleck ist Generalsekretär des Europäischen Zentrums für Verfassungs- und Menschenrechte ECCHR mit Sitz in Berlin. Mit dem Rechtsanwalt sprach Nils Brock.
Wie verlief die Klage gegen Mercedes in Argentinien und was war Ihre Rolle dabei?
Gegen Mercedes-Benz in Argentinien wurden insgesamt drei Klagen angestrengt. Ich war der Anwalt in dem sogenannten deutschen Fall. Auf der Basis der Recherche der Journalistin Gaby Weber erstattete ich 1999 Strafanzeige gegen den deutsch-argentinischen Produktionsleiter Juan Tasselkraut. Das Verfahren wurde jedoch eingestellt, mit der nicht besonders überzeugenden Begründung, dass nicht nachgewiesen werden könne, dass die Verschwundenen tatsächlich im strafrechtlichen Sinne ermordet wurden.
Da dieses Verfahren in Deutschland in Gang kam und Öffentlichkeitsarbeit geleistet wurde, fand sich dann auch in Argentinien eine Gruppe von Gewerkschaftern zusammen, die dort eine Strafanzeige anstrengten. Über diese wurde bis heute nicht endgültig entschieden. Und dann kam es noch zu einer Schadensersatzklage in den USA, die nach 10 Jahren aber auch abgewiegelt wurde.
Wie sind die Aussichten im noch offenen argentinischen Prozess?
Die Vergangenheitsaufarbeitung in Argentinien läuft so gut wie nirgendwo sonst. Da ist eine Menge passiert in den letzten Jahren, aber im Fall Mercedes wurde trotzdem noch niemand verurteilt. Was das noch laufende Verfahren angeht, wird es mit dem frisch gewählten wirtschaftsnahen Präsidenten Mauricio Macri sehr schwierig werden, voranzukommen. Wenn schon während der Regierungen der Kirchners Hindernisse bestanden, dann erst jetzt erst recht.
Aber immerhin hat es in Argentinien ernsthafte Ermittlungen gegeben. Insofern sehe ich das Ganze mit einem lachenden und einem weinenden Auge, denn vor diesem Fall war es nicht üblich, überhaupt diese Art Beteiligung von Unternehmen an Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen.
Wie stehen aus aus juristischer Sicht die Erfolgschancen der Sammelklage gegen VW in Brasilien?
Strafrechtlich gegen Unternehmen vorzugehen kann sehr schwer sein, denn man muss im Einzelnen nachweisen, wer dort was gewusst hat. Das ist umso komplizierter, wenn dreißig Jahre nicht ermittelt wurde, wie im Falle Brasiliens, wo die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit viel später anfing als in Argentinien. Deshalb ist die Idee einer zivilrechtlichen Klage im Grunde genommen auch viel sinnvoller, da man nicht einzelne Personen verklagt, sondern die Körperschaft, die juristische Person.
Was würden Sie den ehemaligen Arbeitern in Brasilien raten?
Sich sehr schnell transnational zu vernetzen und zwar sowohl auf der Gewerkschafts- als auch auf der Kommunikations- und der juristischen Ebene. Sie müssen versuchen überall Druck zu machen, sich Unterstützung beim Gesamtbetriebsrat in Deutschland holen, mit großen Medien in Kontakt treten und dann natürlich mit uns gemeinsam überlegen, was man auf juristischer Ebene noch machen kann. Wenn sie es schaffen, den Fall hier in Deutschland zum Thema zu machen, hätten sie größere Chancen. Je unangenehmer es hier in Deutschland für VW wird, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass etwas passiert. Man muss das Problem nach Deutschland tragen, wo es herkommt.
Foto: wikipedia