Metaller*innen, hört die Signale!

Vom 4. bis zum 7. Oktober 2016 fand in Rio de Janeiro der 2. Weltkongress der IndustriAll Global Union statt. Neben der Wahl einer neuen Führung standen auch neue Ansätze zur Überwindung der Prekarisierung auf der Agenda
Von Florian Wilde, RLS
Rio de Janeiro- RJ- Brasil- 04/10/2016- Ex-presidente Lula, durante a abertura do Congresso do Industrial. Foto: Ricardo Stuckert/ Instituto LulaDer im Juni 2012 gegründete Weltdachverband der Industriegewerkschaften hatte 1.500 Delegierte aus 101 Ländern sowie zahlreiche Gäste zur Konferenz in Brasilien eingeladen. Das Treffen in Rio Anfang Oktober brachte die Unterstützung der Gewerkschafter*innen für die frühere, durch einen pralamentarischen Putsch gestürzte Regierung der Arbeiterpartei Brasiliens (PT) zum Ausdruck und mündete in frenetischen Applaus, als der ehemalige Metallarbeiter und spätere Präsident Brasiliens (von 2003 bis 2010), Luiz Inácio Lula da Silva, zur Konferenzeröffnung begrüßt wurde. Der Vorsitzende der brasilianischen Metallarbeitergewerkschaft CNM-CUT, Paulo Cayes, sagte in seiner Rede: »Lula selbst kommt aus der Armut, und er wurde Präsident und bekämpfte die Armut. Dafür wollen sie ihn jetzt ins Gefängnis werfen, wir müssen Lula verteidigen«.
Der scheidende IndustriALL-Präsident Berthold Huber deutete bei der Eröffnungsrede auf die Notwendigkeit einer gerechten Weltordnung hin, damit Terroristen und Rassisten der Nährboden entzogen werde. Die »lebendige Arbeit« müsse »zumindest gleichberechtigt neben dem Kapital geachtet« werden. Außerdem stellte er klar: »Lula ist immer einer von uns gewesen, und er bleibt es auch!«
Bei den Personalwahlen wurde der IG-Metall-Mann Huber als Präsident des Dachverbands einstimmig durch Jörg Hofmann ersetzt. Beide kommen aus der deutschen Metallergewerkschaft, was ein Zeichen für deren Dominanz in IndustriALL ist. Zum Generalsekretär wurde Valter Sanches bestimmt, früherer Vorsitzender der brasilianischen CNM-CUT. Dennoch hatte es um die neue Führung im Vorfeld des Kongresses heftige Auseinandersetzungen gegeben. Mit Sanches sei zwar ein Repräsentant der Gewerkschaften des globalen Südens in eine wichtige Position gebracht worden, doch manche Delegierte äußerten unter vorgehaltener Hand Kritik an dem Auswahlverfahren der Führung: es sei ein »Deal der Giganten« in der Organisation, der den Delegierten keinen Raum für eigene Entscheidungen gelassen habe.
industriallBei IndustriALL handelt es sich um den bisher wohl ambitioniertesten Versuch, dem Kapital mit einer transnationalen gewerkschaftlichen Organisierung entlang der industriellen Wertschöpfungsketten entgegenzutreten. »Der beste Weg, Prekarisierung zu bekämpfen, ist der Aufbau starker Gewerkschaften, und die gezielte Unterstützung unserer schwächeren Mitgliedsorganisationen,« sagte der neue IndustriAll-Generalsekretär Valter Sanches (komplettes Interview hier).
Der Dachverband ging 2012 aus einer Fu­sion des Internationalen Metallgewerkschaftsbundes mit den internationalen Föderationen der Chemie-, Energie-, Bergbau- und Fabrikarbeiterverbände sowie den internationalen Vereinigungen der Textil-, Leder- und Bekleidungsarbeiter*innen hervor. Etwa 600 Gewerkschaften, die rund 50 Millionen Mitglieder in 140 Ländern organisieren, sind in IndustriALL vereint.
Nach den Brandkatastrophen in südasiatischen Bekleidungsfabriken handelte IndustriALL mit Modekonzernen rechtsverbindliche Brandschutzabkommen mit einer Gültigkeit für 1.600 Textilfabriken aus. Mit dem Selbstverständnis einer weltweiten Kampagnen- und Organisierungsgewerkschaft ging der Verband exemplarisch den als besonders gewerkschaftsfeindlich bekannten Bergbauriesen Rio Tinto an und zwang ihn immerhin an den Verhandlungstisch.
Im Kongress in Rio wurden fünf strategischen Ziele des Dachverbands bestätigt: 1. Stärkung gewerkschaftlicher Organisationsmacht durch Mitgliedergewinnung und den Aufbau handlungsfähiger transnationaler Netzwerke innerhalb der multinationalen Konzerne sowie innerhalb ganzer Branchen; 2. Schwächung der Macht des Kapitals durch globale Rahmenverträge; 3. Verteidigung der Beschäftigtenrechte; 4. Kampf gegen prekäre Beschäftigung; 5. Ringen um eine  sozial und ökologisch nachhaltige Beschäftigung in der Industrie.
sanches»IndustriALL ist ein sehr heterogener Zusammenschluss«, meint Sanches, »wir haben einen wundervollen Aktionsplan, und wenn man genau hinschaut, könnte man sagen, dass er im Kern einen sozialistischen Ansatz verfolgt. Denn er betont überall die Gleichheit, etwa der Arbeitsbedingungen, oder der Geschlechter, und er will die Macht der Konzerne bekämpfen.«
koreaaction_9Der IndustriALL-Weltkongress konnte daher bereits auf erste Erfolge zurückblicken, zeigte aber auch, wie stark die IG Metall den Weltverband dominiert. Die IG Metall vertritt innerhalb von IndustriALL inhaltlich keine sonderlich radikale Linie, und wird dafür von weiter links stehenden Gewerkschaften auch dafür kritisiert, ihren sozialpartnerschaftlichen Ansatz auf die globale Ebene zu übertragen. Dass sie aber die Zeichen der Zeit erkannt hat und mit erheblichem Ressourceneinsatz den Aufbau einer Weltindustriegewerkschaft vorantreibt, ist ihr hoch anzurechnen.
Fotos: Instituto Lula, IndustriALL

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