La révolution en rose

In der aktuellen politischen Krise Brasiliens findet das Unbehagen über den kalten Putsch gegen die gewählte Präsidentin Dilma Rousseff auch im Theater Ausdruck. In São Paulo aktualisieren die Frauen des Coletivo Rózà ihr Erfolgsstück
Von Anna Schlidt*
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Raue Klänge einer E-Gitarre geleiten die Besucher*innen des Theaterstücks „Rózà“, das in der staatlichen Berufsschule (ETEC) Guaracy Silveira aufgeführt wird, zur Bühne. Kein Saal mit gepflegten Sitzreihen, sondern ein Schulauditorium wird hier zum auβergewöhnlichen Schauplatz des Geschehens. Die Sitzplätze erinnern an einen riesigen Stuhlkreis und schaffen ein vertrautes Ambiente. Eine riesige Holzkonstruktion, die mit Vorhängen bekleidet ist, bildet den Rahmen dieser Hommage an die Frau, die 1919 für ihr politisches Engagement ermordet wurde – Rosa Luxemburg.
Plötzlich werden Vorhänge an die Holzfassade genagelt. Niemand kann diesen Raum nunmehr verlassen. Erzählt wird hier mehr als nur die Geschichte einer furchtlosen Kämpferin. Das Stück agiert als Aufruf zum Aufstand gegen das Unrecht. Rosa Luxemburg, die für ihre politischen Aktivitäten mehrmals im Gefängnis saß, soll die Schüler*innen ermuntern, für ihre Rechte aktiv einzustehen. Bewusst haben die Organisatorinnen dieser ungewöhnlichen Aufführung eine öffentliche Schule gewählt. Im vergangenen Jahr war diese Schule im Zuge einer neoliberalen Bildungsreform von ihren Schüler*innen wochenlang besetzt worden.

Rosa Luxemburg ist, gerade in den Zeiten einer wachsenden konservativen Mobilisierung in den brasilianischen Groβstädten, zu einer wichtigen Ikone für eine Rückbesinnung auf solidarische Werte geworden. „Fora Temer“, zum Leitspruch vieler Linker avanciert, findet auch hier enormen Zuspruch, als sich eine Protagonistin provokativ die Bluse vom Körper reisst, um dem Publikum ihren nackten Rücken mit selbiger Parole zu präsentieren.
Die Inszenierung besticht aber besonders durch ihre Ästhetik, die sich in der kreativen Darstellung der facettenreichen Person Rosa Luxemburg widerspiegelt. Lebende Pflanzen oder die Darbietung Rosas persönlicher Briefe aus der Zeit ihrer Inhaftierung werden mithilfe von ausdrucksstarken Wandprojektionen bewusst in Szene gesetzt. Das Lichtspiel versetzt die Zuschauer*innen in verschiedene Szenarien und verwandelt den geschlossenen Raum in eine dynamische Welt mit erleuchtenden, aber auch düsteren Momenten.
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Plötzlich reißen die »Rózàs« gewaltsam alle Vorhänge herunter und befreien das Publikum aus dem symbolischen Käfig der Angst. In dieser letzten Szene, die gleichsam den Höhepunkt der Geschichte markiert, wird Rosa Luxemburg ermordet. Sie sackt zusammen und der rote Vorhang, der vorher die Wand zierte, verwandelt sich nun in eine symbolische Blutlache. Wie auf einer Schleppe wird der Körper der Protagonistin aus dem Raum gezogen, und alle Schüler*innen folgen Rosas Fährte.
Der Weg führt nach draußen, über den Schulhof und schließlich zum Eingangstor der Schule. Als die Protagonistinnen demonstrativ über den Schulzaun klettern, folgen ihnen viele Schüler*innen euphorisch.
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„Rózà“ ist eine provokant-elegante Inszenierung, die vor dem Hintergrund der brasilianischen Demokratiekrise einen besonderen Standpunkt einnimmt. Die historische Figur Luxemburg,  ihre Reden und Briefe werden durch Videocollagen, etwa von den Massenprotesten des Juni 2013 in Brasilien oder von Szenen aus dem heutigen Berlin, aktualisiert und zu einem Vorbild des sozialen Widerstandes erhoben. Eine abschließende Debatte mit Schülern und den Schauspielerinnen selbst runden den Abend ab. Die Beteiligung  vonseiten des jungen Publikums ist groß und zeugt von politischem Bewusstsein und dem Vorsatz, die Situation im Land aktiv verändern zu wollen.
*Anna Schlidt ist Praktikantin im RLS-Regionalbüro São Paulo
Fotos: Facebook/Rózà