Katastrophenstahlwerk wird verkauft

Von Christian Russau, neues deutschland
TKCSA hat in Rio de Janeiro eine Spur der Verwüstung hinterlassen
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ThyssenKrupp hat das Stahlwerk Companhia Siderúrgica do Atlântico (TKCSA) an den argentinischen Stahlkocher Ternium für 1,5 Milliarden Euro verkauft. Diesem Betrag stünden Wertberichtigungen von 900 Millionen Euro gegenüber, teilten die Essener am Mittwoch mit. Damit beendet der deutsche Industriekonzern das verlustreiche Abenteuer Steel Americas. 2005 hatte der Konzern beschlossen, in Alabama und Rio de Janeiro zwei Stahlwerke zu errichten, Planungen gingen von 1,3 Milliarden Euro Kosten aus.
Durch Erweiterung der Pläne um Hafenanlagen, Wechselkursschwankungen sowie wegen Fehlkonstruktionen stiegen die Kosten auf zwölf Milliarden Euro. So steht nach dem 2014 erfolgten Verkauf des Werks in Alabama an ArcelorMittal und Nippon Steel und dem aktuellen Verkauf des Werks in Rio an Ternium unter dem Strich ein Verlust von rund acht Milliarden Euro. »Die Auswirkungen sind bis heute in der Bilanz sichtbar. Für die Aufarbeitung wird ThyssenKrupp noch einige Jahre benötigen«, so der Konzern.
TKCSA hat eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Nicht nur in der Bilanz. Und nicht nur bei ThyssenKrupp. Der Ex-Chef von ThyssenKrupp Steel, Karl-Ulrich Köhler, wurde 2009 wegen des Desasters entlassen. Ende 2011 musste Vorstandschef Ekkehard Schulz seinen Posten räumen. Aufsichtsratschef Gerhard Cromme trat 2013 zurück. Er hatte mit Hilfe externer Juristen wiederholt prüfen lassen, ob Köhler, Schulz und er selbst wegen der Fehlplanungen juristisch belangt werden können. Die Beurteilung fiel immer zugunsten der Manager aus. Das rettete ihren Job letztlich nicht.
Es waren aber nicht nur die nackten Zahlen, die dem Konzern zusetzten. Denn das Stahlwerk produzierte zwar seit Juni 2010 fünf Millionen Stahlbrammen pro Jahr, aber dies ohne gültige Betriebsgenehmigung. Die wurde Jahr für Jahr durch behelfsmäßige Genehmigungen der Behörden ersetzt, da das Stahlwerk die Umweltschutzauflagen nicht in den Griff bekam. Erst im September 2016 wurde dem Werk die Betriebsgenehmigung erteilt.
Doch Anwohner sagen, die Situation habe sich nicht geändert. Denn auf wem das Stahlwerk »bleischwer« lastet, das sind die Anwohner. Täglich geht Staub aus Zink, Silizium, Natrium, Mangan, Potassium, Kalzium, Aluminium, Vanadium, Titan, Schwefel, Phosphor, Nickel, Magnesium, Kupfer, Chrom, Kadmium und Blei auf sie nieder. Diese Daten stammen vom Landesumweltministerium von Rio, SEA, das 2012 den Staub analysiert hatte. Das SEA bestätigte, dass das Pulver toxisch sei und Asthma, Lungenkrebs, Herz-Kreislauf-Beschwerden, Missbildungen und vorzeitigen Tod bewirken könnte.
Deswegen gibt es 238 Rechtsklagen betroffener Anwohner, die Entschädigung für die Gefährdung ihrer Gesundheit fordern. Diese Prozesse gehen ebenso weiter wie die Entschädigungsklagen der 5763 Fischer, deren Ertrag seit Baubeginn des Werks um 80 Prozent zurückgegangen ist und die den Protest darüber bereits im Januar 2010 nach Bochum auf die Aktionärsversammlung trugen.
ThyssenKrupp-Vorstandschef Heinrich Hiesinger wurde auf der Aktionärsversammlung im Januar 2017 gefragt, was mit den Prozessen geschehe, wenn der Konzern das Werk verkaufe. Die Rechtsstreitigkeiten werde der Käufer erben, lautete die Antwort. So macht sich ThyssenKrupp einfach aus dem Staub.
Foto: Susan/flickr

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