Die Moritat von der real existierenden Klimapolitik

Der UN-Klimagipfel in Paris ist wichtig. Dennoch ist absehbar, dass das Pariser Abkommen weit hinter dem klimapolitisch Notwendigen zurückbleiben beziehungsweise stellenweise in eine fatale Richtung gehen wird. Was haben wir von Paris zu erwarten und was bräuchten wir wirklich?
Von Tadzio Müller*
Samstag, 24.10.2015. Zwei Nachrichten erreichen uns, welche die Herausforderung, vor der wir angesichts des Klimawandels stehen, nicht klarer vor Augen führen könnten.
Die erste: In Bonn ist am Vortag das letzte Vorbereitungstreffen für den Pariser Klimagipfel zu Ende gegangen. Nach Monaten des optimistischen Messaging (‘Diesmal werden wir das Scheitern von Kopenhagen vermeiden, wir haben aus den Fehlern gelernt. Diesmal wird’s anders, ganz sicher!’), jetzt der Dämpfer: «Klimagespräche blockiert», Climate talks fail to break deadlock). Warum hängen die Verhandlungen fest? Das Feilschen um Emissionsreduktionen kann es nicht sein, denn die – freiwilligen – Reduktionsvorschläge liegen schon alle auf dem Tisch und stehen nicht zur Verhandlung.
Worum geht es also? Natürlich um die Kohle. Nein, nicht um fossile Brennstoffe, denn über die wird bei den UN-Klimagipfeln nicht gesprochen. Um das Klima geht es auch nicht. Es geht um das Geld. Um das Geld, das die Staaten des Nordens bisher trotz zahlreicher Absichtserklärungen nicht auf den Tisch legen wollen, um die Länder des Südens bei Anpassung und Klimaschutzmaßnahmen zu unterstützen und so ihrer historischen Verantwortung am Klimawandel gerecht zu werden.
Die zweite Nachricht erreicht uns aus Mexiko, simpel, klar, direkt: «‘Schlimmster Wirbelsturm aller Zeiten’ fegt über Mexiko hinweg». Der Präsident des Landes Peña Nieto twittert, dies sei der schwerste Wirbelsturm «jemals, auf dem ganzen Planeten». Über 60.000 Menschen wurden in Sicherheit gebracht. Glücklicherweise hat sich der Wirbelsturm vor dem Auftreffen auf das mexikanische Festland abgeschwächt, aber er zeigt, womit wir schon jetzt und künftig verstärkt zu rechnen haben.

Die Messlatte: Das müsste Paris liefern
Nehmen wir einmal an, dass die Weltgemeinschaft auf diese Herausforderung, die solche Nachrichten uns vor Augen führt, angemessen reagieren würde: Wie würde der UN-Klimagipfel im Dezember in Paris ablaufen, und was würden die Staaten beschließen?
Ein Szenario: Angesichts der Tatsache, dass das drohende Klimachaos ein globales Problem ist und daher globale Lösungen braucht, ist sich die ‘Weltgemeinschaft’ ihrer Verantwortung bewusst, eine sowohl effektive wie gerechte Lösung des Problems finden zu müssen. Der Ort dafür ist der diesjährige UN-Klimagipfel in Paris, auf dem ein Nachfolgeabkommen zum bisher einzigen rechtlich verbindlichen internationalen Klimaabkommen, dem Kyoto-Protokoll, beschlossen werden soll. Der Medienzirkus trommelt, die NGO-Karawane rollt, die Staats- und Regierungschefs kommen zu Beginn des Gipfels nach Paris, um dort die Eckpunkte des Abkommens festzuklopfen.
Die Chancen dafür standen gut, denn eine zivilgesellschaftliche Kampagne hat endlich erreicht, dass von Energiefirmen bis hin zu Banken die sogenannten schmutzigen Industrien, die das fossile Energiesystem finanzieren, sowohl der Zutritt zur Pariser Konferenz wie auch das Sponsoring von Klimagipfeln untersagt wurde. Angeleitet von einem Weltklimarat, der (nach Überwindung seiner massiven kognitiven Dissonanz) auf Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse über den Klimawandel radikale politische Forderungen erhebt, und unter dem massiven Druck der globalen Klimagerechtigkeitsbewegung auf den Straßen der Welt einigen sich die Staatenvertreter auf ein verbindliches internationales Klimaabkommen mit einer anspruchsvollen Klimagerechtigkeitsagenda.

  • Einigung auf ein 1,5-Grad-Limit
    Das Zwei-Grad-Ziel wird revidiert, da es die Zerstörung riesiger landwirtschaftlicher Nutzflächen vor allem in Afrika, das Absaufen mehrerer Inselstaaten, und die darauf folgenden Fluchtbewegungen billigend in Kauf nahm. Stattdessen wird rechtlich verbindlich festgelegt, dass die globale Durchschnittstemperatur nicht um mehr als 1,5 Grad Celsius ansteigen darf, und – entsprechend des Vorsorgeprinzips – alle Schritte eingeleitet werden müssen, um sicherzustellen, dass das Limit nicht überschritten wird. Um dies zu garantieren, wird das Pariser Abkommen mit einer Klausel ausgestattet, die andere internationale Verträge, z. B. Freihandels- und Investitionsschutzabkommen, punktuell außer Kraft setzt, sofern deren Bestimmungen das 1,5-Grad-Ziel konterkarieren.
  • Ende der Marktmechanismen im Klimaschutz
    Die umstrittenen, höchst ineffektiven und zu umfassendem Betrug einladenden Marktmechanismen im Klimaschutz werden eingestampft. Allen voran wird der heftig umstrittene REDD-Mechanismus abgeschafft, der Wäldern als Kohlendioxidspeicher einen ökonomischen Wert zuweist. Ebenso verabschiedet sich die Welt vom Modell des Emissionshandels mitsamt seinem als ‘Offsetting’ glorifizierten umweltpolitischen Ablasshandel. Die Debatte über die Wahl eines geeigneten klimapolitischen Instruments zur Eindämmung der Kohlendioxidemissionen wird nun zwischen VertreterInnen von Steuerlösungen (‘Carbon Tax‘) und denen ordnungsrechtlicher Eingriffe (z. B. Kohleausstiegsgesetz) geführt.
  • Kleinbäuerliche Landwirtschaft, Ernährungssouveränität und Agrarökologie statt «klimasmarte» Landwirtschaft
    Auch im Bereich Landwirtschaft gibt es endlich entscheidende Schritte in die richtige Richtung: Die industrielle Landwirtschaft als einer der zentralen Treiber des Klimawandels wird eingedämmt, nachdem der von den großen Agrofirmen angeführte Push in Richtung «climate smart agriculture» kurz vor Paris als Anleitung zum weiteren Landraub und Machtausbau eben dieser Konzerne entlarvt wurde.
  • Wie schon seit langem von der globalen KleinbäuerInnenbewegung La Via Campesina gefordert, beschließt der Pariser Klimagipfel die Schaffung einer globalen Unterstützungsstruktur für kleinbäuerliche Landwirtschaft unter dem Banner der Ernährungssouveränität und mit den Mitteln der Agroökologie.
  • 80 Prozent der fossilen Reserven bleiben im Boden
    Die umwälzendste Veränderung aber findet im bisher größtenteils fossilen Energiesystem statt: Unter Bezugnahme auf die (durchaus nicht unumstrittene) ‘Carbon Budget’-Methode einigt sich die Weltgemeinschaft darauf, 80 Prozent aller schon bekannten fossilen Brennstoffe im Boden zu lassen («Leave it in the ground«), und das Weltenergiesystem bis 2050 vollständig zu dekarbonisieren.
  • Schaffung gerechter Übergange ins postfossile Zeitalter
    Als wirklich klimagerechtes Abkommen legt das Paris-Protokoll fest, dass die globale Abkehr von fossilen Brennstoffen durch ausreichend finanzierte Pläne für einen gerechten Übergang in eine sozial-ökologische Wirtschaft flankiert wird, welche die Lebensgrundlagen von Arbeiterinnen und Arbeitern in den fossilen und energieintensiven Sektoren sichern und von den Gewerkschaften mitverhandelt wurden. Da gleichzeitig allen Beteiligten klar ist, dass gerechte Übergänge nicht bloß Gerechtigkeit für Lohnarbeitende bedeuten, sondern auch und ganz zentral für indigene Gruppen und Frauen, werden indigene, Menschen- und Frauenrechte zu einer der unumstößlichen Grundlagen des Pariser Abkommens. Diese Bevölkerungsgruppen litten bislang disproportional unter dem Klimawandel und sind gleichzeitig Gruppen, in deren ökonomischen und reproduktiven Alltagspraxen wir Beispiele für viel weniger klimaschädliches Verhalten finden.
  • Zahlungsbereitschaft des Globalen Nordens und ein kluger Kompromiss bei der Klimafinanzierung
    Die Finanzierungsfrage bleibt bis zum Schluss hart umkämpft. Während die reichen Länder des Nordens zuerst nicht über ihre 100-Milliarden-US-Dollar-pro-Jahr-Zusage vom gescheiterten Kopenhagener Klimagipfel hinausgehen wollten, beharren die Länder des Südens auf den Beschlüssen des alternativen Klimagipfels in Cochabamba (2010), bei dem berechnet wurde, dass die ökologische Schuld des Nordens an den Süden sich auf mindestens sechs Prozent des jährlichen BIPs der reichen Länder beläuft. Der kluge Kompromiss, ausgehandelt in der letzten Nacht des Pariser Klimagipfels, basiert auf folgendem quid-pro-quo: Der Norden erkennt zum ersten Mal das Prinzip der ‘ökologischen Schuld’ an sowie seine Verantwortung, für durch den Klimawandel verursachte finanzrelevante Schäden (‘Losses and Damages’) geradezustehen. Im Gegenzug verzichtet der globale Süden vorerst darauf, konkrete finanzielle Forderungen zu erheben und willigt in die Schaffung einer paritätisch besetzten ExpertInnenkommission ein. Diese soll Vorschläge vorlegen, wie die zunehmend austeritätsgeschädigten Staaten des Nordens die notwendigen Mittel bereitstellen können, ohne die soziale Stabilität zu gefährden.

Nach zwei harten Verhandlungswochen stehen der französische Außenminister Laurent Fabius und die mexikanische Vorsitzende der Klimarahmenkonvention Christiana Figueres am 12.12. vor ihrer Vollversammlung und verkünden die Unterzeichnung des Paris-Protokolls. Das Abkommen ist nicht nur das bisher bedeutendste Dokument der globalen Klimapolitik, sondern markiert auch den Beginn einer neuen Phase der ‘Weltgemeinschaft’. In Paris hat die Menschheit begonnen, auf die selbstverschuldeten Krisen und Gefahren des Anthropozäns zu reagieren. We’ll always have Paris: ein wirklicher Schritt nach vorne, der in die Geschichte eingehen wird…

Das wird stattdessen in Paris passieren
Das wäre das – zugegebenermaßen mehr als unrealistische – Szenario für Paris, wenn die Menschheit angemessen und angeleitet von der Idee der Klimagerechtigkeit auf den Klimawandel reagieren würde. Die Realität ist eine andere: Während 20 Jahren frustrierender UN-Klimaverhandlungen ist der globale Treibhausgasausstoß nicht nur immer weiter angestiegen. Er ist auch immer schneller angestiegen. Während das Kyoto-Protokoll spektakulär scheiterte und verheerende Wirbelstürme immer öfter mit den Klimagipfeln zusammenfallen, soll es nun im Jahr 21 der UN-Klimaverhandlungen endlich einen Deal geben. Das ist auch der dringende Wunsch der französischen Gipfelregie.
Dass die zu Hause recht unpopuläre Regierung einen außenpolitischen Erfolg dringend benötigt, liegt auf der Hand. Und die Tatsache, dass das Gipfelportfolio nicht wie üblich im Umweltministerium (bei Ministerin Segolène Royal) liegt, sondern beim ungleich mächtigeren Außenminister Laurent Fabius – der das nicht unerhebliche corps diplomatique der ehemaligen Grande Nation an den Start bringt – zeigt, dass das Paris-Protokoll mit aller Macht herbeiverhandelt werden soll.

Denkbar sind folgende Szenarien:
Szenario eins: Wie es sich bei der letzten Vorverhandlungsrunde in Bonn schon abgezeichnet hat, gibt es – trotz großen Tamtams – auch im Jahr 21 keinen Deal. Weil im Vorfeld von Paris eine ganze Reihe geschichtsvergessener OptimistInnen die diesjährige Klimakonferenz wieder einmal als «letzte, beste Chance«, die Welt zu retten bezeichnet haben, ist die darauf folgende Klimadepression dementsprechend groß. Die UN-Klimarahmenkonvention besteht natürlich weiterhin, wird aber zunehmend zu einer bloßen Hülle, die verzweifelt um politische Relevanz ringt. Sie gesellt sich damit zur WTO als weitere globale Institution, die das Ende der hegemonial-neoliberalen Globalisierung nicht überlebt hat.
Szenario zwei: Viele BeobachterInnen gehen davon aus, dass es diesmal tatsächlich einen Deal geben wird. Die Erwartungen daran sind mittlerweile so weit heruntergeschraubt, dass das auch tatsächlich möglich erscheint. Das bestmögliche Szenario aus der Perspektive derjenigen, die noch substantielle politische Erwartungen an den UN-Klimaprozess richten, sieht folgendermaßen aus:

  • Unzureichender Reduktionspfad zum Zwei-Grad-Ziel und die «Ratsche»
    Über die nationalen Beiträge zur Emissionsreduktion wird in Paris wie gesagt nicht verhandelt. Diese Beiträge wurden als freiwillige Emissionsreduktionsverpflichtungen in Form der sogenannten intended national determined contributions (INDC) dem UN-Klimasekretariat vorgelegt. Ganz abgesehen davon, dass der Klimagipfel also einer ist, auf dem es gar nicht um die dringend notwendigen Emissionsreduktionen geht, summieren sich die bisherigen Selbstverpflichtungen nach Berechnungen der Forschungsinitiative Climate Action Tracker auf eine zu erwartende Erwärmung um 2,7 Grad Celsius. Zwar stellen diese Selbstverpflichtungen also tatsächlich einen Fortschritt gegenüber einem Business-as-usual-Szenario dar, unter dem wir auf eine Erderwärmung um mindestens 4,5 Grad Celsius zusteuern würden. Die Selbstverpflichtungen reichen aber mitnichten aus, um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen.Im besten Fall werden die freiwilligen Selbstverpflichtungen eingehalten. Das aber würde eben eine Erderwärmung über die Zwei-Grad-Grenze hinaus nach sich ziehen. Jenseits dieser Grenze sinkt dem Weltklimarat zufolge die Wahrscheinlichkeit, dass das Klimasystem der Erde stabil bleibt und sich das globale Klimachaos verhindern lässt, auf unter 70 bis 50 Prozent. Anders gesagt: Wenn wir uns auf einen solchen Deal einlassen, spielen wir mit der Erde russisches Roulette – mit einer Kugel, und nur zwei Kammern. Das sich abzeichnende Pariser Abkommen nimmt die Zerstörung des Weltklimas und die damit verbundenen sich massiv verschärfenden Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten billigend in Kauf.Der einzige Mechanismus, der zur Zeit im Gespräch ist – die sogenannte «Ratsche» – zielt darauf ab, dass sich die Staatengemeinschaft in (im besten Fall) fünf Jahren wieder zusammensetzt, und dann ambitioniertere Ziele vorlegt. Völlig offen ist, ob die Staaten dies dann wirklich in ausreichendem Maße tun. Außerdem lässt diese Vorgehensweise völlig außer acht, was Klimawissenschaftler wie Kevin Anderson nicht müde werden, zu betonen: Je länger wir mit den Reduktionen warten, desto drastischer müssen sie dann ausfallen. Wieso es in fünf Jahren realistischer ist, dass Regierungen drastische Emissionsreduktionen vorschlagen, erschließt sich nicht wirklich. Im Kern scheint die Ratsche vor allem ein Versuch zu sein, das Problem in die Zukunft zu vertagen – wo dann gerne auch mal eine andere Regierung an der Macht sein kann.
  • Fehlende Durchsetzungsmechanismen
    Realistisch gesehen muss man davon ausgehen, dass sich nicht alle AkteurInnen an die Selbstverpflichtungen halten werden. Es wäre naiv zu glauben, dass freiwillige Selbstverpflichtungen durchgehend eingehalten werden, wenn sie mit Profitinteressen in Konflikt stehen. Der fossilistische Kapitalismus ist ein System, in dem Wirtschaftswachstum und Treibhausgasemissionen eng gekoppelt sind. Wie wenig man offiziellen Emissionsstatistiken glauben kann, hat sich ganz deutlich beim Volkswagenskandal gezeigt. Nicht nur der VW-Konzern hat hier massiv betrogen. Der deutsche (und möglicherweise europäische) Staatsapparat selbst ist in das Betrugssystem eingebunden.1Genau deshalb ist es fatal, dass es in Paris nicht um rechtsverbindliche Mechanismen zur Durchsetzung der INDCs geht. Nötig wären effektive Mechanismen, die denjenigen Ländern, die ihre Verpflichtungen nicht einhalten oder bei den Messungen betrügen, Kosten und Strafen aufdrücken, welche den Nutzen eines Betrugs deutlich übersteigen.
  • Kein konsequenter Ausstieg aus fossilen Energien
    Eigentlich müsste in Paris die schnellstmögliche Dekarbonisierung des globalen Energiesektors und die Schaffung gerechter Übergänge verhandelt werden. Schon jetzt aber ist die kurzzeitig angedachte Formulierung «phase out of fossil fuel emissions until mid-centrury» (Ausstieg aus den Fossilen bis Mitte des Jahrhunderts) als eine der Optionen für ein Langfristziel der Staatengemeinschaft im Klimaschutz komplett aus dem Verhandlungstext geflogen. Maximal werden sich die Staaten wohl auf das wachsweiche Ziel der «Klimaneutralität» einigen – was bedeutet, dass nachhaltige Emissionsreduktionen nicht stattfinden müssen, sofern die Staaten sich mithilfe von Kompensationsmechanismen (Offsets), Kohlenstoffabscheidung und -verpressung im Boden oder unkalkulierbaren Geoengineering-Technologien ihre Emissionsbilanzen klimaneutral rechnen können.
  • Die Schaffung gerechter Übergänge ins postfossile Zeitalter wird komplett vernachlässigt
    Zwar kann es sein, dass unsere Verbündeten in der Gewerkschaftsbewegung das kleine Kunststück schaffen, den Begriff «gerechter Übergang» im Vertragstext zu verankern. Ohne konkrete, mit Finanzen unterlegte Mechanismen für die Erstellung und Umsetzung von Plänen für den gerechten Übergang wird das aber Symbolpolitik bleiben.
  • Das Konzept der «klima-smarten Landwirtschaft» verschafft sich weitere Akzeptanz
    Obwohl zentral für das Klima, steht das Thema Landwirtschaft nicht direkt auf der Verhandlungsagenda der UN-Klimakonferenz. Dennoch passieren im Dunstkreis von UN-Klimakonferenz und Lobbyaktivitäten entscheidende Weichenstellungen. Zurzeit sieht es danach aus, dass es die Großkonzerne der Agrar- und Düngemittelindustrie schaffen, dem Konzept der «klima-smarten Landwirtschaft» zur breiten Akzeptanz zu verhelfen.
  • Damit würden sich nicht nur die Methoden der industriellen Landwirtschaft mit ihrem massiven Düngemittel- und Pestizideinsatz und der Verwendung von gentechnisch veränderten Pflanzen weiter ausbreiten. Die von den Konzernen angestrebte Einbeziehung landwirtschaftlicher Flächen und Prozesse in die höchst umstrittenen Offsetting-Mechanismen würde auch verstärkt KleinbäuerInnen von ihren Ländereien vertreiben, und die schon stattfindenden Landraubprozesse weiter verschärfen. Unter dem Deckmantel des Klimaschutzes droht die globale Landwirtschaft hierdurch immer emissionsintensiver, umweltschädlicher und menschenfeindlicher zu werden.
  • Unzureichende und unverbindliche Finanzzusagen des Globalen Nordens
    Zwar wird auch das Pariser Abkommen das Kopenhagener Versprechen enthalten, dass die Länder des Globalen Nordens ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar zur Klimafinanzierung aufbringen sollen. Ohne Durchsetzungsmechanismus bleibt dieses Versprechen aber vorerst nur heiße Luft. Wie sehr die Geberländer sich ihre Zahlen schön rechnen, zeigt ein Bericht der OECD, der vorrechnet, dass von diesen 100 Milliarden schon 60 Milliarden pro Jahr fließen. In Wahrheit werden hier Gelder aus der klassischen Entwicklungshilfe einfach umgewidmet und als «zusätzliche» Mittel der Klimafinanzierung definiert. Wie weit die Verursacherstaaten des Klimawandels noch davon entfernt sind, ihrer historischen Verantwortung gerecht zu werden, in dem sie auch für die Verluste und Schäden des Klimawandels aufkommen – auf den Klimakonferenzen unter der Überschrift «loss & damage» verhandelt – deutet sich bereits im Vertragsentwurf für Paris an: Dort steht sinngemäß nicht mehr als: «Wir erkennen an, dass es ein Problem gibt.»
  • Industriesponsoring und Lobbyeinfluss der Industrien werden nicht eingedämmt
    Ein Grund dafür, warum auf UN-Klimagipfel nicht die Umsetzung wirklich Klimapolitik im Zentrum steht, ist, dass der kapitalistische Fossilismus tief in die Strukturen unserer Gesellschaften eingelassen ist; wir sind kollektiv abhängig vom fossilgetriebenen Wirtschaftswachstum. Ein besonders makabres Zeichen hierfür ist, dass diejenigen Akteure, die vom Raubbau am Klima am meisten verdienen – fossilen Firmen wie EDF, GDF-Suez, Air France – diejenigen sind, die den Klimagipfel sponsern. Während es also eigentlich darum gehen sollte, die Zukunft des Planeten zu bewahren, gaukeln uns die gegenwärtigen Strukturen Klimaschutz nur vor. Das Business-as-usual wird weiter legitimiert und zusätzliche Profitmöglichkeiten geschaffen.

So fatal das bestmögliche Szenario für die Abläufe in und Ergebnisse von Paris auch aussehen, bedeutet das nicht, dass der Klimagipfel aus einer klimapolitischen Perspektive irrelevant ist. Klar ist aber: In den benannten Politikfeldern wird das Pariser Abkommen weiter hinter dem Benötigten zurückbleiben oder aber in eine völlig falsche Richtung gehen (z.B. Ausbau von Marktmechanismen). We’ll always have Paris: ein Menetekel des Scheiterns der kapitalistisch überbeschleunigten Menschheit im Angesicht ihrer selbstgeschaffenen Probleme. Es war so schön, als uns dieser Satz noch an Bogart und Bergman erinnerte…
Jedoch: Die Frage, ob es in Paris einen Deal geben wird, ist nicht die einzige, die von großer politischer Bedeutung ist. Ganz zentral wird ebenso folgende sein: Wie wird und wie sollte sich die Zivilgesellschaft zum Abkommen positionieren? Um diese Frage zu beantworten, muss man sich tiefgehender mit den Entwicklungen der letzten Jahre in der Klima(Gerechtigkeits)Bewegung beschäftigen. Hierzu bald mehr in diesem RLS-Dossier.

* RLS, Referent für Klimagerechtigkeit und Energiedemokratie

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