Die Debatte „China: Süd-Süd-Kooperation oder neuer Imperialismus?“ wurde von der Kommission für Umwelt und nachhaltige Entwicklung des argentinischen Senats ausgerichtet und durch die Rosa-Luxemburg-Stiftung unterstützt. Geht es um eine wahre Kooperation? Übt das asiatische Land eine neue Herrschaftsform aus? Das sind nur einige der Fragen, mit denen sich Alberto Acosta, Ulrich Brand, Maristella Svampa und Gastgeber Fernando „Pino” Solanas auseinandersetzten
Vom RLS-Team Buenos Aires
In letzter Zeit öffnete sich Lateinamerika – und vor allem Argentinien – für bilaterale Kooperation mit China. Und genau das war der Schwerpunkt dieser Veranstaltung. Geht es um eine wahre Kooperation? Oder übt das asiatische Land eine neue Form der Herrschaft aus? Senator Fernando „Pino” Solanas ist der Vositzender der Senatsumweltkommission. Während seines Vortrags prangerte er problematische Aspekte der Beziehung zwischen Argentinien und China an, vor allem „die Geheimniskrämerei des Staates“.
So sei der Senat umgangen worden. Und das, wo es bei den 14 Vereinbarungen und dem größten bilateralen Vetragswerk des heutigen Argentiniens gehe, vor allem um Infrastruktur: den Bau von Staudämmen etwa oder den Kauf von Zügen, aber auch um Fracking und um „Vaca Muerta“, ein Gebiet im südlichen Argentinien mit gigantischen Öl- und Gasvorkommen. Von diesem Vertrag „wurden nur 30 Prozent vorgelegt und das lückenhaft“, erzählt Solanas. In dieser Hinsicht führe Präsident Mauricio Macri den Kirchnerismus fort – ein Modell, das auf Energieförderung und Geheimniskrämerei des Staates basiere.
Anschließend referierte der ecuadorianische Ökonom Alberto Acosta: China sei für die Nachfrage von 30 Prozent aller Rohstoffe weltweit verantwortlich und schütze das kapitalistische System, indem es US-amerikanische Staatsanleihen kauft, um den Dollar zu stabilisieren. „China und die USA sind keine Feinde, sondern Gegenspieler und Geschäftspartner“. Er sprach von der bedeutenden Rolle, die der Staat hat und vom Fehlen einer organisierten Zivilgesellschaft. Wie schon Solanas betonte auch Acosta, dass China ein harter Kreditgeber ist. Zudem sprach er von der Art der Beziehung, die China mit Lateinamerika aufbaut, mit Fokus auf Brasilien als seinem wichtigsten Partner und Rohstofflieferant. Diese Entwicklung bedauerte er sehr, da „wir nicht aus der Geschichte der Abhängigkeit von den großen Mächten gelernt haben“ und „wir heute unter einer Bedrohung leiden, weil wir diese Forderungen ohne gemeinsame Strategie akzeptieren“.
Maristella Svampa sprach über die Konsequenzen und Schwierigkeiten, die die Beziehung zwischen China und Lateinamerika hervorruft, vor allem beim Extraktivismus: „China ist die Werkbank der Welt und beansprucht viele Wirtschaftsgüter, vor allem von Lateinamerika.“ Dies führe zu einer „Radikalisierung des Extraktivismus und der Dienstleistungen, die damit verbunden sind “. Sie kritisierte, dass seit 2010 Verträge zwischen den einzelnen Ländern abgeschlossen werden und nicht mehr im regionalen Block verhandelt wird. Diese Abhängigkeit zu China radikalisiere und verschlimmere sich, was zu einer „Festigung der Primärwirtschaft und des Extraktivismus führt“.
Der deutsche Politologe Ulrich Brand fragte: „Wer profitiert von dieser Beziehung?“ China habe „sich in eine neue Imperialmacht» verwandelt und diktiere die Regeln. China interessierten die Umwelt- und Sozialstandards in den Ländern nicht, in denen es sein Kapital investiert, ebenso wenig trete es mit der lokalen und regionalen Wirtschaft in Verbindung: „Die Risiken tragen also nur die Länder Lateinamerikas“. Außerdem hob er die Bedeutung von erneuerbaren Energien und deren dezentrale Logik hervor; die Notwendigkeit einer Transition und rief dazu auf, nicht den europäischen Lebensweisen nachzueifern.
“Die neue Prägung des Kapitalismus”
Nach der Debatte im Senat führte das Team der Rosa-Luxemburg-Stiftung Buenos Aires ein Gespräch mit Alberto Acosta über das neue Buch „Wege aus dem kapitalistischen Labyrinth – Degrowth und Post-Extraktivismus “, das er zusammen mit Ulrich Brand geschrieben hat. Auch dabei ging es um China.
“China ist heute einer der interessantesten und neuartigsten Global Player, der viel Besorgnis erregt. Denn es bricht gewisse Schemata auf. Wir beobachten nicht diesen alten Imperialismus, der mit militärischer Macht einhergeht, und auch nicht jenen, der sich bis aufs Letzte von den neoliberalen Logiken nährt, auch wenn es praktisch gesehen in China einen Neoliberalismus gibt. Es ist diese Art von Macht, die auftaucht und sich auf alle Bereiche ausbreitet, vor allem in den wirtschaftlichen, aber in einer gewissen Weise auch den politischen.“
„China ist zweifellos ein globaler politischer Akteur, der viele Möglichkeiten eröffnet, in Hinsicht auf den Markt, aber auch im Austausch von Kultur und Technologien, aber auch ein imperialistsicher Akteur neuer Prägung mit traditionellen und neuen Elementen. China dominiert die Welt und ist gerade dabei, auch Lateinamerika zu erobern. Die Länder Lateinamerikas haben nichts aus ihrer Geschichte gelernt. Wir wurden von Europa kolonialisiert, lebten viele Jahrhunderte in einer neokolonialen Abhängigkeit von Europa und den USA und haben nie gelernt, uns dem gegenüberstellen. Als Rohstofflieferanten haben wir es nicht geschafft, uns regional zu integrieren um eine bessere Stellung in der Welt zu erreichen oder regionale Souveränität aufzubauen“.
Übersetzung: Svea Franz