Das »Freihandels«abkommen der EU mit dem Mercosur ist noch zu verhindern
Von Gerhard Dilger, neues deutschland
Es ist kein Zufall, dass gerade jetzt ein angeblich historisches »Freihandels«-Abkommen zwischen der Europäischen Union und dem Mercosur angekündigt wird: Europas Regierungen, angeführt von Angela Merkel, haben die politische Schwäche Argentiniens und Brasiliens gnadenlos ausgenutzt, um die Rekolonialisierung Südamerikas weiter voranzutreiben. Sollte der erst in Umrissen bekannte Deal tatsächlich den Ratifizierungsmarathon in den europäischen Parlamenten bewältigen, wäre das vor allem ein Triumph der transnationalen Konzerne und ihrer Profitlogik; Menschenrechte und Umweltschutz blieben rhetorisches Beiwerk.
Es ist kein Zufall, dass gerade jetzt ein angeblich historisches »Freihandels«-Abkommen zwischen der Europäischen Union und dem Mercosur angekündigt wird: Europas Regierungen, angeführt von Angela Merkel, haben die politische Schwäche Argentiniens und Brasiliens gnadenlos ausgenutzt, um die Rekolonialisierung Südamerikas weiter voranzutreiben. Sollte der erst in Umrissen bekannte Deal tatsächlich den Ratifizierungsmarathon in den europäischen Parlamenten bewältigen, wäre das vor allem ein Triumph der transnationalen Konzerne und ihrer Profitlogik; Menschenrechte und Umweltschutz blieben rhetorisches Beiwerk.
In der internationalen Arbeitsteilung spielt Lateinamerika seit 1492 überwiegend die Rolle des Rohstofflieferanten. Genau darauf sollen Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay nach den Emanzipationsversuchen des 20. und frühen 21. Jahrhunderts wieder und möglichst für immer festgenagelt werden. Von der schrittweisen Senkung der Zollschranken profitieren in Südamerika bestenfalls das Agrobusiness und der Importsektor; Kleinbäuer*innen, Indigene und Arbeiter*innen bezahlen die Rechnung mit der weiteren Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen und der Aushöhlung ihrer Rechte.
Firmen aus Europa sollen jährlich Abgaben in Höhe von vier Milliarden Euro einsparen und dadurch wettbewerbsfähiger werden, jubelt die Europäische Kommission. Selbst dass der Autosektor in Argentinien und Brasilien langsamer liberalisiert wird als andere, ist den Interessen der europäischen Konzerne geschuldet, die zuerst ihre Investitionen der letzten Jahre wieder einspielen wollen. Die geplante Liberalisierung des Handels innerhalb der Multis fördert Lohndrückerei und Stellenabbau. So werden künftig etwa billiger produzierte Autoteile um die halbe Welt transportiert statt vor Ort hergestellt.
Neben der auch ökologisch unsinnigen Ausweitung des Welthandels beharren die europäischen Neoliberalen auf verschärftem Patentschutz, was beispielsweise die Versorgung der Südamerikaner*innen mit bezahlbaren Generika aushöhlen könnte. »Neue Geschäftsmöglichkeiten« würden auch im Dienstleistungssektor geschaffen, etwa im Telekom- und IT-Bereich.
Bei den Regierungskäufen, die oft für die Stärkung einheimischer Produzenten genutzt werden, soll die europäische Konkurrenz ebenfalls noch mehr berücksichtigt werden. Und während Investoren ihre Interessen notfalls vor Schiedsgerichten einklagen wollen, soll es für Mitverantwortung bei Umweltvergehen oder Menschenrechtsverletzungen auch künftig keine Sanktionsmöglichkeiten geben.
Der ultrarechte Brasilianer Jair Bolsonaro und der in Argentinien um seiner Wiederwahl kämpfende Unternehmerpräsident Mauricio Macri buhlen mit allen Mitteln um internationale Anerkennung. Diese Konstellation hat den von den Neoliberalen beiderseits des Atlantiks vorbereiteten und jetzt bejubelten Deal erst ermöglicht.
Doch seine Umsetzung ist noch lange nicht unter Dach und Fach. Warum werden die Details des EU-Mercosur-Abkommens – in Wirklichkeit ist es ja nur ein Entwurf – nur scheibchenweise bekannt gemacht? »Vampirverträge« hat die Attac-Aktivistin Susan George die »Freihandels«abkommen einmal zu Recht genannt. Denn: Sobald die Einzelheiten ans Tageslicht kommen, besteht die echte Chance, sie demokratisch zu verhindern.
Widerstand kommt von südamerikanischen Aktivist*innen, Textilunternehmern in Paraguay, Gewerkschafter*innen in Uruguay oder dem peronistischen Kandidaten Alberto Fernández, der gute Chancen hat, Macri bei den argentinischen Präsidentschaftswahlen im Oktober zu besiegen – aus ihrer Perspektive ist der neokoloniale Charakter des angestrebten Abkommens sonnenklar. Aber auch in Frankreich rumort es beträchtlich, denn dort hat man die Gefahr weiterer Importe von Monokultur-Agrarprodukten für die einheimische Landwirtschaft immer schon erkannt.
Warum ausgerechnet der rechtsextremistische Klimaleugner Bolsonaro, der den Regenwald in Rekordzeit dezimieren will, ein strategischer Partner für ein demokratisches Europa sein soll, bleibt das Geheimnis von Frau Merkel und Herrn Maas. Nichtregierungsorganisationen und kirchliche Hilfswerke haben zahlreiche Argumente gegen den Deal schon längst auf den Tisch gelegt, die Gewerkschaften fehlen leider noch in dieser Allianz. Aber der Widerstand hat ja erst begonnen.
Fotos: Gerhard Dilger